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Vernehmlassungsantwort zur Übernahme des europäischen Migrations- und Asylpakts
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Nach Einschätzung der SMRI birgt die teilweise Übernahme des EU-Migrations- und Asylpakts aus menschenrechtlicher Perspektive mehr Risiken als Chancen. Ein Grund dafür sind die starken Tendenzen, menschenrechtliche Verantwortung an andere europäische (und nicht-europäische) Staaten auszulagern. Solche Auslagerungen führen zu zusätzlichen Risiken für die Menschenrechte. Unter anderem wird der Zugang zu einem fairen Verfahren gefährdet, der für die Gewährleistung des Rechts auf Asyl und für den Schutz vor Refoulement notwendig ist. Zudem werden aus Sicht der SMRI die strukturellen Fehlanreize des europäischen Migrations- und Asylsystems durch diese Reform eher verstärkt als abgebaut.
Die Stellungnahme der SMRI konzentriert sich auf eine der fünf EU-Verordnungen, die sogenannte «Überprüfungsverordnung» ((EU) 2024/1356). Diese sieht ein neues Schnellverfahren vor, dem Personen unterzogen werden, welche irregulär in einen Schengen-Staat einreisen oder nach einer unbemerkten Einreise innerhalb des Staates aufgegriffen werden. Innert sieben Tagen soll künftig darüber entschieden werden, ob eine Person Zugang zu einem Asylverfahren erhält oder einem Wegweisungsverfahren zugeteilt wird. Als Gegengewicht während dieses Verfahrens soll ein unabhängiger Mechanismus zur Überwachung der Grundrechte eingerichtet werden.
Im Vorentwurf zur Übernahme der Überprüfungsverordnung schlägt der Bundesrat Änderungen im Asylgesetz (AsylG) sowie im Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) vor, worauf sich die Stellungnahme der SMRI bezieht.
Die Empfehlungen der SMRI in Kürze
Zusammenfassend begrüsst die SMRI die Schaffung eines unabhängigen Überwachungsmechanismus zur Sicherstellung der Einhaltung der Grund- und Menschenrechte im Rahmen der Überprüfungsverfahren und bietet ihre aktive Mitwirkung an. Bei der Umsetzung legt sie besonderen Wert auf die verfahrensrechtlichen Aspekte während und nach dem Überprüfungsverfahren. Der Zugang zu Rechtsberatung und eine transparente, anfechtbare Entscheidungsfindung ist zu gewährleisten, um die Rechte der Betroffenen während und nach dem Überprüfungsverfahren bestmöglich zu wahren. Schliesslich sollten die relevanten Stellen aus der Überprüfungsverordnung direkt und im Wortlaut übernommen werden, um begriffliche und inhaltliche Unschärfen zu vermeiden.
Unabhängige Überwachung der Grundrechte
Der Europäische Migrations- und Asylpakt sieht den Überwachungsmechanismus als Gegengewicht zur Wahrung der Grundrechte in diesem durchaus risikoreichen Verfahren vor. Die SMRI betont die Wichtigkeit eines solchen Mechanismus in der Schweiz. Der Mechanismus sollte mit ausreichend Ressourcen ausgestattet sein und Zugang zu allen relevanten Orten, Personen und Dokumenten haben und jährliche Empfehlungen zur Verbesserung des Grundrechtsschutzes abgeben können.
Verfahrensrechte sichern
Im Überprüfungsverfahren werden wichtige Vorentscheidungen in sehr kurzer Zeit getroffen. Diese können potenziell ausschlaggebend sein für die Zukunft von Menschen. Damit Fehler und Missstände im Verfahren aufgedeckt werden können, sind gut abgesicherte Verfahrensrechte essenziell. Die SMRI empfiehlt
Kostenlose Rechtsvertretung für betroffene Personen während des gesamten Überprüfungsverfahrens, wie dies während des eigentlichen Asylverfahren bereits der Fall ist.
Rechtliche Anfechtbarkeit der Entscheidungen des Überprüfungsverfahrens.
Einhaltung der Rechte bei Freiheitsbeschränkungen: Wenn während des Überprüfungsverfahrens die Freiheit einer Person beschränkt oder entzogen wird, müssen die gleichen Regeln gelten wie in sonstigen Fällen der Freiheitsbeschränkung oder des Freiheitsentzuges.
Vollständige Übernahme der EU-Vorgaben
Zudem empfiehlt die SMRI, Artikel 10 der EU-Überprüfungsverordnung – der auch den unabhängigen Überwachungsmechanismus regelt – vollständig und im entsprechenden Wortlaut in das Schweizer Recht zu integrieren.