Staatenberichtsverfahren der Schweiz

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Staatenberichtsverfahren der Schweiz

Der Menschenrechtsschutz in der Schweiz ist in erster Linie von den nationalen Grundrechten abgedeckt. Als zusätzliche Absicherung und Impulsgeber gelten internationale Menschenrechtsabkommen. Deren Umsetzung wird regelmässig im Rahmen von «Staatenberichtsverfahren» überprüft. Die SMRI hat eine Bestandesaufnahme erheben lassen.
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Der Inhalt dieser Seite bezieht sich auf Produkte der Interface Politikstudien Forschung Beratung AG (Interface). Bei den Formulierungen auf dieser Seite handelt es sich um Interpretationen dieser Produkte durch die SMRI. 

Die Schweiz hat verschiedene UNO-Menschenrechtsabkommen ratifiziert; beispielsweise die Frauenrechtskonvention, die Kinderrechtskonvention oder die Antirassismuskonvention. Auf der Ebene des Europarates bildet die Europäische Menschenrechtskonvention die wichtigste Rechtsgrundlage für den Menschenrechtsschutz. Darüber hinaus hat die Schweiz verschiedene Menschenrechtsabkommen des Europarates ratifiziert, beispielsweise zur Verhütung und Bekämpfung von Folter, Menschenhandel oder häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention). Der Umsetzungsstand der internationalen Abkommen wird regelmässig im Rahmen sogenannter «Staatenberichtsverfahren» überprüft.

Im Auftrag der SMRI hat Interface eine Studie zu den Staatenberichtsverfahren der Schweiz durchgeführt. Primäre Ziele der Studie waren, den Umsetzungsstand des Menschenrechtsschutzes in der Schweiz zu erheben sowie Informationen zum Ablauf der Staatenberichtsverfahren zusammenzutragen.

Daraus resultiert haben im Wesentlichen zwei Mappings und ein Bericht. Das erste Mapping enthält Informationen zur Durchführung der Staatenberichtsverfahren. Es geht darum, die Abläufe, die Zuständigkeiten und den Rhythmus der einzelnen Verfahren nachvollziehen zu können. Das zweite Mapping ist eine Sammlung aller Empfehlungen, die in den aktuellen Überprüfungszyklen von internationalen Gremien an die Schweiz abgegeben wurden. Wesentliche Erkenntnisse aus den beiden Mappings und Empfehlungen, die sich daraus ergeben, hat Interface in einem Synthesebericht zusammengefasst. 

Informationen zu den Staatenberichtsverfahren

Als «Staatenberichtsverfahren» werden die Mechanismen zur Überprüfung der Umsetzung von internationalen Menschenrechtsabkommen bezeichnet. Bei vielen Abkommen findet eine erste Überprüfung ein bis zwei Jahre nach der Ratifizierung statt. Danach werden die Vertragsstaaten meist in regelmässigen Abständen (rund alle 4–5 Jahre) überprüft.

Wer ist an Staatenberichtsverfahren beteiligt?

Zentrale Akteure in den Staatenberichtsverfahren der Schweiz sind neben den Gremien der UNO bzw. des Europarats ausgewählte Bundesstellen. Die Mehrheit der Staatenberichtsverfahren sind unter der Federführung einer einzelnen Bundesstelle und beziehen sich auf ein spezifisches Abkommen; beispielsweise ist das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau für die Berichterstattung zur Istanbul-Konvention zuständig. Auf der Ebene der UNO gibt es aber auch ein allgemeines Verfahren, das nicht auf einen bestimmten Vertrag beschränkt ist - den Universal Periodic Review (UPR). Aufgrund seiner thematischen Breite sind an diesem Verfahren mehrere Bundesstellen beteiligt.

Auch die Kantone und Gemeinden spielen eine wichtige Rolle. Im föderalistischen System der Schweiz sind diese massgeblich mit der Umsetzung der Massnahmen zum Schutz der Menschenrechte betraut. So ist es etwa in der Verantwortung der Kantone, Polizeikorps zu sensibilisieren, Gefängnisse mit Ressourcen auszustatten oder Schulen inklusiver zu gestalten.

Zivilgesellschaftliche Organisationen nehmen in den Staatenberichtsverfahren eine kritisch-beobachtende Rolle ein und versorgen die internationalen Gremien in Form von Parallelberichten mit staatlich unabhängigen Informationen.

Ablauf von Staatenberichtsverfahren

Staatenberichtsverfahren können in vier Teilprozesse unterteilt werden. Das federführende Bundesamt ist dabei für den reibungslosen Ablauf dieser Prozesse verantwortlich:

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Berichterstattung: Die Berichterstattung beinhaltet die Erstellung des Staatenberichts sowie von Parallelberichten aus der Zivilgesellschaft. Diese Berichte werden vom zuständigen internationalen Gremium geprüft. Auf dieser Grundlage meldet das Gremium dann den Staaten zurück, wo es seiner Ansicht nach Defizite gibt hinsichtlich des vom Abkommen abgedeckten Menschenrechtsschutzes und schlägt Massnahmen zur Verbesserung der Situation vor.
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Stellungnahme: In vielen Fällen kann der Vertragsstaat zu den abschliessenden Bemerkungen des internationalen Gremiums Stellung beziehen. Solche Stellungnahmen enthalten Kommentare zu den erhaltenen Bemerkungen und Empfehlungen, zu Herausforderungen oder zum weiteren Vorgehen.
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Wissenstransfer: Nun muss das aus der Kommunikation mit den Gremien gewonnene Wissen mit den relevanten Akteuren geteilt werden. Insbesondere sind dies diejenigen staatlichen Stellen, die konkret etwas zur Verbesserung beitragen sollen (national, kantonal oder kommunal).
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Follow-up: Massnahmen zur Verbesserung der Menschenrechtssituation werden ergriffen, überprüft und deren Umsetzung wird nochmals vom zuständigen Gremium bewertet. Gegebenenfalls benötigt es auch Folgemassnahmen.

Umsetzung der Empfehlungen aus den Staatenberichtsverfahren

Staatenberichtsverfahren sind nur dann effektiv, wenn sie zur Umsetzung von Massnahmen – und letztlich zum erhöhten Schutz der Menschenrechte führen.  Interface identifiziert in der von uns in Auftrag gegebenen Studie aber einige Faktoren, welche diese Prozesse erschweren können und die besonders für die Schweiz gelten. Zusammengefasst beinhalten diese:

Föderalismus

Im föderalistischen System der Schweiz kann der Bund den Kantonen nur bedingt Massnahmen vorschreiben. Das stellt eine Herausforderung für eine einheitliche Umsetzung der Empfehlungen dar.

Direkte Demokratie

Volksabstimmungen können die Umsetzung von Massnahmen verhindern oder menschenrechtlichen Standards sogar zuwiderlaufen. Dazu kommen die ohnehin langwierigen Prozesse zur Verabschiedung neuer Gesetze zum Schutz der Menschenrechte.

Komplexität

Die Vielzahl der Akteure erschwert die Koordination in der Berichterstattung sowie Umsetzung der Massnahmen. Ausserdem gibt es derzeit kein übergreifendes Monitoring über die Umsetzung der Massnahmen.

Laut Interface sind verschiedene Massnahmen denkbar, um Menschenrechte in der Schweiz effektiver zu schützen. Zusammengefasst beinhalten diese:

Verankerung in der Gesetzgebung

Die Inhalte der Übereinkommen können – vorausgesetzt, der politische Wille dafür ist vorhanden – auf demokratischem Wege konkreter und vollständiger in den nationalen und kantonalen Gesetzen verankert werden.

Koordination und Zusammenarbeit

Der Menschenrechtsschutz kann dadurch gestärkt werden, dass klar definiert wird, wer für was verantwortlich ist in der Umsetzung von Massnahmen. Auch ein gesamtschweizerisches Monitoring über die Umsetzung der Massnahmen könnte dazu beitragen.

Sichtbarkeit

Durch die Thematisierung von Menschenrechtsanliegen in Gesellschaft, Politik und Rechtsprechung kann eine Kultur der Menschenrechte etabliert werden, was sich wiederum positiv auf den Menschenrechtsschutz auswirken kann.

Demnächst auf unserem Infoportal: Ausführliche Informationen zu den einzelnen Staatenberichtsverfahren

Die Rolle der SMRI

Gemäss ihrem gesetzlich festgelegten Mandat kann die SMRI auf verschiedene Arten zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte beitragen. Gerade im Bereich der Staatenberichtsverfahren könnte die SMRI zukünftig eine wichtige unterstützende Rolle spielen.

Diese Einschätzung teilt Interface und hat diesbezüglich verschiedene Empfehlungen an die SMRI zur Ausrichtung ihrer zukünftigen Arbeit abgegeben. Die Empfehlungen finden sich ab Seite 39 des Syntheseberichts.

Die Empfehlungen von Interface an die SMRI sind eine hilfreiche Stütze und Entscheidungsgrundlage im Aufbau und der inhaltlichen Ausrichtung der SMRI. Angelehnt an eine Empfehlung von Interface hat die SMRI für die kommenden Jahre vier thematische Schwerpunkte festgelegt, auf die sie sich insbesondere fokussieren wird:

  • Demokratie und Menschenrechte

  • Föderalismus und Menschenrechte

  • Auslagerung der Verantwortung für Menschenrechte

  • Mehrfachdiskriminierung

Alle diese Themen betreffen auch wichtige Aspekte der Staatenberichtsverfahren der Schweiz.

Menschenrechtsmappings von Interface

Die Mappings von Interface sind Zusammenzüge grosser Datenmengen betreffend die Staatenberichtsverfahren der Schweiz. Aufgrund ihrer Komplexität sind sie vor allem für vertiefte Recherchen durch ein Fachpublikum und andere Interessierte geeignet.

Mapping 1: Durchführung der Staatenberichtsverfahren

Das Mapping enthält eine Übersicht über das Vorgehen in 16 Staatenberichtsverfahren der Schweiz (9 auf UNO-Ebene, 7 auf Europaratsebene).

Rahmeninformationen

Das Mapping «Durchführung» ist auf Deutsch verfügbar. In der ersten Mappe befindet sich eine «Lesehilfe». In der zweiten Mappe «Mapping» befinden sich dann die Daten aus der Studie. Die Informationen basieren auf den Verfahren der letzten Überprüfungszyklen (Stand Februar 2024).

Inhalte

Nach internationalem Abkommen geordnet enthält das Mapping allgemeine Informationen dazu, welches Organ für die Überprüfung des Abkommens zuständig ist, in welchem Rhythmus die Überprüfungen durchgeführt wird, auf welcher Rechtsbasis die Überprüfung beruht und wie die Überprüfung im Normalfall abläuft.

Darüber hinaus enthält das Mapping spezifische Informationen zur Schweiz. Dazu gehören Dokumente aus dem letzten oder aktuellen Überprüfungszyklus, Informationen dazu, wann die letzte Überprüfung durchgeführt wurde, welche Bundesstelle die Federführung hat und worin genau das Mandat dieser Stelle besteht. Es wird auch ersichtlich, wer im letzten Zyklus für die koordinierte Abfassung und Einreichung der Parallelberichte aus der Zivilgesellschaft zuständig war.

Mapping 2: Empfehlungen an die Schweiz

Das Mapping enthält eine Übersicht über die Empfehlungen aus den letzten Überprüfungszyklen von 16 Staatenberichtsverfahren der Schweiz (9 auf UNO-Ebene, 7 auf Europaratsebene).

Rahmeninformationen

Das Mapping «Empfehlungen» ist auf Englisch verfügbar. Auf der ersten Seite der Tabelle befindet sich aber eine «Lesehilfe» auf Deutsch. Auf der zweiten Seite «Mapping» befinden sich dann die Daten aus der Studie.

Die Empfehlungen stammen aus den abschliessenden Bemerkungen und Empfehlungen der Überwachungsorgane aus den aktuellen Überprüfungszyklen der Staatenberichtsverfahren (Stand Oktober 2023). Ausgangspunkt des Mappings sind die Empfehlungen aus der vierten Runde des Universal Periodic Review (UPR) im Jahr 2023.

Inhalte

Die Empfehlungen aus den verschiedenen Verfahren sind nach Menschenrechtsbereich (vertikal) bzw. nach Abkommen geordnet (horizontal). Die Themen sind in der «Lesehilfe» aufgelistet, z.B. «Climate». Wer sich für Empfehlungen für ein spezifisches Thema interessiert, kann im Mapping die Spalte «Theme Category» nach diesen Themen filtern. So ist es möglich, etwa nur Empfehlungen zum Thema «Klima» anzeigen zu lassen. Das Mapping hat auch weitere Filter, mit denen die Masse an Informationen eingegrenzt werden kann. Mehr dazu in der «Lesehilfe».