Seitenkontext
Themenschwerpunkte
Die SMRI hat ein generelles Mandat zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte in der Schweiz. Da ihre Mittel beschränkt sind, muss die SMRI in ihrer Tätigkeit gezielt Schwerpunkte setzen.
Im Rahmen eines strategischen Prozesses und basierend auf den Empfehlungen einer 2023 in Auftrag gegeben Studie wurden im Juli 2024 vier Themenbereiche als Schwerpunkte definiert. Diese werden die Arbeit der SMRI bis 2027 strukturieren, ohne dabei andere Themen auszuschliessen. Denn grundsätzlich gilt; die SMRI kann zu allen Themen aktiv werden, wo es ihr sinnvoll und notwendig erscheint.
Bei allen vier Schwerpunkten handelt es sich um Querschnittsthemen. Sie betreffen also nicht ein bestimmtes Menschenrecht, eine bestimmte Konvention oder eine bestimmte Gruppe von Menschen. Vielmehr eröffnen sie den Raum für Fragestellungen, die sich durch diverse Menschenrechtsbereiche ziehen.
Demokratie und Menschenrechte
Setzen die Menschenrechte der Demokratie Grenzen und stehen insofern in einem Spannungsfeld mit dieser? Oder sind sie im Gegenteil eine Voraussetzung dafür, dass eine Demokratie funktionieren kann? Oder umgekehrt – sind demokratische Rahmenbedingungen Voraussetzung für die Realisierung von Menschenrechten? Kann vielleicht beides – das Spannungsfeld und die gegenseitige Abhängigkeit – gleichzeitig zutreffen?
Diese Fragen sind in allen Demokratien relevant für die Geltung der Menschenrechte und für deren Rückhalt in der Gesellschaft. Aber sie sind es besonders für die Schweiz mit ihrer direkten Demokratie, wo insbesondere der internationale Menschenrechtsschutz oft mit Verweis auf den “Willen des Volkes” kritisiert wird. Welche Bedeutung Menschenrechten in der Schweiz zukommt, steht in jedem Fall in einem Zusammenhang mit dem demokratischen Rückhalt in der Gesellschaft.
Mögliche Unterthemen sind:
Das Verhältnis von (direkter) Demokratie zum Völkerrecht
Volksinitiativen und Menschenrechte, insbes. die Ungültigkeitserklärung von Volksinitiativen
Die Rolle von Verfassungsgerichtsbarkeit in der Schweiz und mögliche Ersatzmechanismen (Ombudsfunktionen beispielsweise)
Inklusion von Menschen mit reduzierten oder keinen politischen Rechten in der Schweiz (Menschen mit geistiger Behinderung, junge Menschen, Menschen ohne Bürgerrecht)
Föderalismus und Menschenrechte
Der Bund verpflichtet sich international dazu, bestimmte Menschenrechtsstandards anzuwenden. Doch es sind die Kantone, welche für Polizei, Gefängnisse, Kliniken usw. zuständig sind. Wie lässt sich die internationale Verpflichtung auf die kantonale Ebene übertragen? Wie können sich internationale Gremien ein Bild über die Situation in den Kantonen machen? Wie sollten wir mit kantonalen Unterschieden in der Umsetzung der Menschenrechte umgehen?
Was ist die Rolle der Gemeinden für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte? Föderalismus ist ein Labor für gute Praktiken zu Gunsten der Menschenrechte. Föderalismus kann ein guter Nährboden für die Entwicklung guter Praktiken in Hinsicht auf Menschenrechte sein. Doch stellt er auch Herausforderungen für den Menschenrechtsschutz dar: es ist schwierig, internationale Standards und Empfehlungen in einem föderalistischen Kontext umzusetzen - und oft fühlt sich die Schweiz auf Grund ihres Föderalismus vor internationalen Gremien nicht verstanden.
Mögliche Unterthemen sind:
Die Rolle der Kantone in Berichterstattungsverfahren vor Gremien der UNO und dem Europarat, insbesondere deren Rolle in der Umsetzung von Empfehlungen
Nutzung von Menschenrechtsgarantien in Kantonsverfassungen, die über das Bundes- und Völkerrecht hinausgehen und wenig genutzt sind
Die Rolle von Gemeinden in der Menschenrechtsarbeit, z.B. die mögliche Rolle von Menschenrechtsstädten
Best practices von Kantonen, die bei der MR-Umsetzung weiter gehen als der Bund. Beispiel Kanton Genf mit einer Garantie der politischen Rechte auch für Menschen unter umfassender Beistandschaft.
Auslagerung der Verantwortung für Menschenrechte
Historisch ist der Staat für den Schutz der Menschenrechte verantwortlich. Diese Auffassung geht aber davon aus, dass alle wesentliche Macht von Staat ausgehe. Die heutigen Machtverhältnisse sind aber viel komplexer. Die Frage der Verantwortungsübernahme für Menschenrechtsschutz stellt sich deshalb von Neuem.
In vielen Kontexten sind nicht mehr Staaten (sondern zum Beispiel Technologie-Konzerne) die mächtigen Akteure der Gesellschaft. Darüber hinaus ist der Wirkungsbereich von Staaten (und Unternehmen) immer weniger an ein konkretes Gebiet gebunden. Die Asylpolitik der Schweiz zum Beispiel wird auf hoher See und an den Schengen-Aussengrenzen geprägt, manche wollen sie ganz nach Afrika auslagern. Auch die Klimapolitik eines Staates betrifft die ganze Welt und Konflikte werden hybrid geführt, nicht mehr bloss an einem bestimmten Ort. Andere Menschenrechtsverletzungen finden ganz im virtuellen Raum statt und haben insofern gar keinen geografischen Ort mehr.
Antworten darauf zu finden, wer in solchen diffusen Situationen für die Einhaltung der Menschenrechte verantwortlich ist, ist daher zentral für die zukünftige Wirksamkeit der Menschenrechte.
Mögliche Unterthemen sind:
Verantwortung für Wertschöpfungsketten
Auslagerung von menschenrechtsrelevanten Tätigkeiten (Sicherheitsdienste, Gesundheitsdienste, Gefangenentransport, Polizeiarbeit, Befragungen, Datenerfassungen, Betreuung und Unterbringung etc.) an private Dienstleistende
Auslagerung der Klimapolitik/CO2-Reduktion in Drittstaaten
Grenzüberschreitende Kontrolle und Repression
Mehrfachdiskriminierung
Es gibt eine Konvention zum Schutz vor Rassismus und eine zum Schutz von Frauen, eine zum Schutz von Menschen mit Behinderung usw. Doch in vielen Fällen werden Personen nicht aufgrund eines einzelnen, sondern einer Kombination von Merkmalen diskriminiert – z.B. auf Grund einer Kombination aus der Herkunft, dem Geschlecht und den Fähigkeiten, die ihnen zugeschrieben werden.
Solche Formen der Diskriminierung lassen sich nur verstehen und bekämpfen, wenn sie als Mehrfachdiskriminierungen aufgefasst werden. Für die Betroffenen können solche Diskriminierungen besonders verletzend sein, weil sie sich auf gleich mehrere Eigenschaften beziehen, die zu ihrer Identität gehören.
Die SMRI fördert und schützt Menschenrechte als solche, und nicht nur diejenigen, welche die Interessen einer bestimmen Gruppen betreffen. Daher sieht sie sich in einer geeigneten Rolle, Mehrfachdiskrimierung sichtbar zu machen und Verbesserungmöglichkeiten zu entwickeln.
Mögliche Unterthemen sind:
Frauen im Migrationsrecht; z.B. Zugang zu legalen Migrationswegen und zur Möglichkeit, ein Schutzgesuch zu stellen,
Armut und Menschenrechte
Algorithmische Diskriminierung
Sexuelle Orientierung im Asylwesen